Aktivitäten

Zum Erfahrungsaustausch beim NCFTA in Pennsylvania

(21.04.2011) Neben dem Beruf einen Masterstudiengang - in unserem Falle Kriminologie - zu absolvieren ist sicherlich ein anstrengender Weg sich fortzubilden. Insbesondere, wenn man mit seinen Forschungen völliges Neuland betritt, wie wir es mit „Game- und Metacrime - Strafrechtlich relevante Handlungen im Zusammenhang mit virtuellen Welten" getan haben. Umso mehr freut es einen selbstverständlich, wenn dieses Thema national und insbesondere international auch auf positive Resonanz trifft.

Über einige persönliche Kontakte ergab es sich, dass das Federal Bureau of Investigation (FBI) von unseren Forschungen erfuhr und sich an den gewonnene Erkenntnissen und Ergebnissen interessiert zeigte. Daraufhin bekamen wir die Gelegenheit uns mit zwei Special Agents des FBI am Rande der feierlichen Übergabe unserer Masterurkunden in Hamburg treffen zu können. Während dieses ersten Austausches unserer Studienergebnisse bei Currywurst und Wiener Schnitzel wurde auch die Möglichkeit eines Erfahrungsaustausches bei der Spezialeinheit des FBI der National Cyber Forensic & Training Alliance (NCFTA) in den Staaten skizziert. Wir waren verständlicherweise begeistert und packten die Gelegenheit beim Schopfe. Das hieß erst mal Formalitäten klären, E-Pass beantragen, die Einreise anmelden und eine englische Präsentation vorbereiten und einstudieren. Nachdem unser Dienstherr uns Sonderurlaub gewährt hat stand auch noch der obligatorische Finanzcheck aus. So eine Reise in die USA ist bekanntermaßen eine kostspielige Angelegenheit. Demzufolge waren wir überaus dankbar, dass sich der Förderverein der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg anbot, die Kosten für die Flüge nach Pittsburgh, Pennsylvania, dem Sitz der NCFTA, zu übernehmen.

Am 18. März 2011, einem sonnigen Freitag, war es dann endlich soweit. Der frühe Vogel fängt den Wurm sagten wir uns und starteten um 06:55 Uhr mit dem Flieger Richtung Paris. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris und einem erstaunlicherweise ungenießbaren französischen Baguette, betraten wir knapp zehn Stunden später den Boden der liebevoll Steelcity genannten Stadt. Dieser Spitzname leitete sich daher ab, dass Pittsburgh bis vor einigen Jahrzehnten fast ausschließlich von der stadteigenen Stahlindustrie lebte und zu ihrer Blütezeit annähernd 1.000 Stahlfabriken beherbergte.

Am Pittsburgher Flughafen wurden wir schon von einem Special Agent des FBI erwartet. Nachdem wir unsere Koffer in Empfang genommen hatten, zeigte er uns auf unserer 30-minütigen Fahrt vom Flughafen zu unserem Hotel bereits einige Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen von Pittsburgh. An unserem ersten Wochenende erkundeten wir dann zunächst per pedes - sehr zum Wunder unserer amerikanischen Kollegen - das unser Hotel umgebende Areal. Im Strip District - eine lang gezogene und etwas heruntergekommene Einkaufsstraße - nutzten wir auch gleich die Gelegenheit einige Fotos für die im Rahmen unserer kriminologischen Lehrtätigkeit an der FHPol zu vermittelnden „broken window" Theorie zu schießen. In der Steelcity liegen - wie in vielen amerikanischen Industriestädten - oftmals finanzstarke und -schwache Einwohnerschichten eng beieinander, was einen beinahe nahtlosen Übergang von augenscheinlich verwahrlostet und sehr netten Stadtvierteln nach sich zieht. Dennoch haben wir uns gefreut, auch in diesem eher unansehnlichen Strip District auf unsere geliebte soziale Kontrolle in Form eines stylischen Motorradgespanns zu stoßen.

Nachdem wir uns also mit der Umgebung etwas vertraut gemacht hatten, starteten wir zu Beginn der Woche auch entsprechend informationsdurstig und hoch motiviert in unseren ersten Tag bei der NCFTA.

Zunächst wurden wir mit der Struktur und dem besonderen Konzept hinter dieser Einrichtung vertraut gemacht. Das Prinzip setzt auf ein vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen Firmen aus dem Bereich Internet, Bankwesen und artverwandten Betrieben sowie dem FBI. Der Gedankengang dahinter ist, dass die Opfer der meist professionell agierenden Cyberkriminellen bei großen Wirtschaftsfirmen und Banken zu suchen sind. Diese sind aber aus verschiedensten Gründen nicht bereit - z.B. Angst vor schlechter Publicity - sich bei Angriffen auf deren IT-Strukturen an staatliche Strafverfolgungsbehörden zu wenden. Die Firmen versuchen den Bedrohungen daher selbst Herr zu werden. Es kann also auch vorkommen, dass mehrere Firmen dasselbe Problem haben sich aber nicht untereinander austauschen. Auch den Strafverfolgungsbehörden fällt es so schwer neue Trends in dem sich stetig im Wandel befindenden Phänomenbereich der Internetkriminalität auszumachen und Präventionskonzepte zu entwickeln. In den klassischen Ansätzen hinkt die Polizei daher den Tätern hinterher und kann selten proaktiv handeln. Genau hier setzt die NCFTA an. Sie ermöglicht einen unkomplizierten Informationsaustausch zwischen den potentiellen Opfern und kombiniert dies mit den rechtlichen und faktischen Durchsetzungsmöglichkeiten des FBI. Das fehlende Legalitätsprinzip in den Vereinigten Staaten ermöglicht es dabei, dass nur in beiderseitigen Einvernehmen Straftaten durch das FBI verfolgt werden. Daher kann sich eine Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten entwickeln. Die Ergebnisse dieser fruchtbaren Zusammenarbeit wurden uns im Laufe des Erfahrungsaustausches präsentiert.

Während unseren ersten zwei Tagen wurden uns aktuelle Cybercrime- Phänomene vorgestellt und erläutert. In den nächsten Tagen tauschten wir uns intensiv zu Aspekten von Kriminalität und virtuellen Welten aus. Sehr interessant waren z.B. die Ausführungen zu speziell für Smartphones programmierter Malware. Darunter versteht man schädigende Programme wie z.B. Trojaner, Würmer, Keylogger oder Viren. Mit diesem Wissen im Gepäck sollte jeder zweimal darüber nachdenken, ob er mit seinem neu erworbenen Blackberry oder iPhone Onlinebanking oder -shopping betreibt. In diesem Zusammenhang fiel uns in den USA auch eine Fernsehwerbung auf, bei welcher der Vater Benzinstand, Licht und Reifendruck des Familienautos per Smartphone für die abendliche Diskotour seiner Tochter prüfte und dann das Zündschloss freischaltete - ein offenes Tor für einen technisch versierten Autodieb.

Hochinteressant war für uns der Einblick in die verdeckten Ermittlungen des FBI in der sogenannten Undergroundeconomy. Unter dieser versteht man besonders „geheime" und versteckte Foren von Cyber-Kriminellen im Internet. In diesen Foren tauschen sich die Täter einerseits über kriminelle Möglichkeiten zum Gelderwerb aus, andererseits dienen sie aber auch ganz speziell als Handels- und Auftragsplattformen für kriminelle Güter und Aktivitäten. Der Zugang zu den besagten Foren ist für Fremde dabei besonders schwierig, da spezielle Aufnahme- und Prüfungsmechanismen erfüllt werden müssen, die üblicherweise gesetzwidrige Handlungen erfordern. Der Kollege des FBI der uns diese Mechanismen vorstellte, war selber annähernd drei Jahre verdeckt in einem der größten Foren aktiv. Durch seine gesammelten Informationen wurde das betreffende Forum letztlich ausgehoben und ca. 50 Beteiligte weltweit verhaftet. Der Schaden der durch den Betrieb des Forums verursacht wurde, lag bei geschätzten 80 Millionen US-Dollar. Als Tipp gab uns der Beamte mit auf den Weg, dass man bei seiner gefälschten Identität aus Glaubwürdigkeitsgründen so viele reale Elemente wie möglich einbauen sollte.

Der für uns noch wesentlich spannendere Teil begann damit, dass wir vor der NCFTA unsere eigenen Forschungserkenntnisse präsentieren durften. Diese stießen auf ein breites Interesse, da - wie uns später in persönlichen Gesprächen bestätigt wurde - keine vergleichbaren Studien für Amerika vorliegen. Kriminelle Handlungen in virtuellen Welten wurde jedoch übereinstimmend als für alle Gesellschaften von gegenwärtiger aber mehr noch von zukünftiger Bedeutung definiert. Insbesondere für die USA gilt dies, da man augenblicklich davon ausgeht, dass annähernd 190 Millionen Amerikaner Computer- und Videospiele nutzen oder virtuelle Welten (z.B. World of Warcraft, Aion) besuchen.

Auch Aspekte der Vermischung von Handlungen in der physischen und virtuellen Welt und deren Einfluss auf polizeiliche Ermittlungen und Präventionskonzepte wurden im Nachgang unserer Präsentation erörtert. Den Ursprung für diese Befassung bildete dabei ein in den USA medial stark aufgearbeiteter Sachverhalt aus Februar 2011. Bei diesem hatte sich ein 54-jähriger Nutzer in dem für Kinder gedachten Online-Spiel „Club Pinguin" (Walt Disney) eingeloggt und über das Spiel begonnen Kontakt zu Kindern aufzunehmen, um sich später an ihnen zu vergehen. Der 54-jährige wurde letztlich, nachdem er in der Realität eine 13-jährige Spielerin missbraucht hatte, verhaftet. Die Öffentlichkeit fragte nun warum niemand die Kommunikation und die Personen in dieser virtuellen Welt kontrolliert hat. Leider liegen keine Forschungserkenntnisse dazu vor, in wie weit Täter virtuelle Welten gezielt nutzen um leicht an Missbrauchsopfer zu gelangen. Interessant und wahrscheinlich auch erschreckend wären sie sicherlich.

Im weiteren Verlauf des Praktikums bekamen wir die Gelegenheit direkten Ermittlungen gegen einen Täter beizuwohnen, der im großen Stil gestohlene virtuelle Güter aus Runescape verkauft hat. Bei den Ermittlungen kamen den Beamten deren Erkenntnisse aus undercover Einsätzen in den Foren der Undergroundeconomy zu Gute, sowie eigens entwickelte Internetrecherche-Tools die einschlägige Foren nach vorgegebenen Worten (z.B. E-Mail-Adressen oder Nicknames) durchsuchen. Um die Ermittlungen zu verbessern arbeitet das NCFTA gegenwärtig an einer Datenbank, die auf eine vorgegebene Liste von Schlüsselwörtern hin untersucht wird, um aktuelle Fallzahlen im Zusammenhang mit Game- und Metacrime zu eruieren. Einig waren wir uns mit unseren Kollegen dahingehend, dass noch viel Arbeit investiert werden muss, um ein wirkliches Problembewusstsein in der jeweiligen Gesellschaft zu verankern, dass auch in virtuellen Welten Kriminalität begangen werden kann und dies oft im großen Maße auch tatsächlich geschieht.

Äußert interessiert zeigten sich unsere NCFTA Kollegen an der erstmalig in Deutschland ins Leben gerufenen Unterrichtseinheit zu Kriminalität und virtuelle Welten an der FHPol Brandenburg. Das FBI formulierte uns gegenüber den Wunsch einerseits etwas Ähnliches für die eigenen Polizeibehörden aufzubauen und durchzuführen und andererseits mit uns zukünftig verstärkt zu kooperieren. So wurde auch der Wunsch artikuliert ggf. eine gemeinsame Tagung oder einen Workshop zu der Thematik Game- und Metacrime durchzuführen.

Gegen Ende der Woche ergab sich neben unserer eigens initiierten Stadterkundungstour am ersten Wochenende nunmehr noch die Gelegenheit einer vom FBI geplanten Sightseeing-Tour mit einem unserer Kollegen. Dabei hielten wir sowohl auf Mount Washington - den wir übrigens auch eines Abends mit der Incline (einer von deutschen Einwohnern gebauten Bergbahn um schneller auf den Mt. Washington zu gelangen) erklommen haben - um Pittsburghs Skyline zu betrachten als auch beim Law Enforcement Memorial um den gefallenen Polizeibeamten zu gedenken, einen Moment inne. Da die meisten Amerikaner, wie auch unserer Stadtführungskollege, sehr stolz auf ihre deutschen Wurzeln sind, wurde uns zum Abschluss unserer Tour eine Fahrt durch „Deutschtown" - wo ehemals viele deutsche Auswanderer lebten - nicht vorenthalten. Ebenfalls sehr sehenswert waren das Hofbräuhaus am „Platzl 6" und die Cheesecake-Factory gleich gegenüber.

Last but not least möchten wir nunmehr dem Förderverein für seine finanzielle Unterstützung unseren herzlichen Dank aussprechen und freuen uns, dass wir mit unserem Bericht und unserer zukünftigen Arbeit einige Kollegen an unseren Erlebnissen und gesammelten Erfahrungen teilhaben lassen konnten. Abschließend können wir feststellen, dass der Erfahrungsaustausch mit den Cyber-Spezialisten des NCFTA für uns fachlich eine enorme Bereicherung war und Ansporn zugleich den gewählten Weg der Erforschung eines bislang nur peripher untersuchten und neuartigen Kriminalitätsphänomens konsequent weiter zu verfolgen.

Cindy Krebs, M.A. und Thomas-Gabriel Rüdiger, M.A.

P.S. Als ein kulinarisches Highlight wurden wir von den Kollegen zu Primanti Brothers eingeladen. Diese haben mit dem berühmten Primanti Brothers Sandwich ein echtes Pittsburgher Leibgericht geschaffen. Es basiert darauf, dass die Truckfahrer nur eine Hand zum Essen frei hatten, wenn sie mit ihren schweren Maschinen durch die Stadt fuhren, also wurden in das Sandwich einfach neben dem Fleisch gleich noch die Pommes und massenhaft Coleslaw eingefügt. Das Foto ist hoffentlich aussagekräftig genug.

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